Restaurationsbericht

2000 bis 2003

 

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Schon beim Kauf sollte man sich ein paar Grundsatzentscheidungen klar machen: Wie viel Geld will man für welchen Zustand des Gefährts ausgeben? Bin ich an einer Totalrestauration interessiert, oder will ich eher Schönheitsoperationen vornehmen, und dabei die Technik (insb. Motor und Getriebe) lieber zusammengebaut lassen? Geld- und Zeitplanung ist nicht unbedingt erforderlich, aber als Orientierung durchaus empfehlenswert. Generell gilt: Umso besser man sich vorher über den Zustand des Rollers informiert und den Rat von Fachleuten zur Hilfe nimmt, umso weniger gibt es später Enttäuschungen. Auch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen und Literatur ist ein wichtiges Kriterium.
Beim Kauf sollte man auf alle (noch vorhandenen) Unterlagen bestehen, sowie auf einen schriftlichen Kaufvertrag, da diese Papiere später mal für die Zulassung wichtig sein können. Die Identität des Rollers ist die Nummer am Typenschild, die natürlich mit den Eintragungen der Papiere übereinstimmen sollte.
Wenn man dann noch einen trockenen Stellplatz gefunden hat, und die Freundin diesen "Wahnsinnskauf" überwunden hat, kann´s eigentlich losgehen. Bild Nr. 1 zeigt meine Prima unmittelbar nach dem Erwerb. Ein eher traurig stimmender Anblick…


Die erste Tätigkeit gilt wohl der "Schadenbegrenzung", um zu sehen, was diverse Vorbesitzer und der stetig nagender Zahn der Zeit noch so übrig gelassen haben, vom einstig soliden Originalzustand. Nach einer kritischen Untersuchung aller Stellen und Winkel ergibt sich dann bald ein Bild vom Ausmaß der Tragödie. Meine Prima des Baujahrs 1957 war nicht mehr viel mehr als ein Haufen altes Metall. Ich habe besonders in die Literatur alter Werkstattbücher und Teilelisten gesehen, um herauszufinden, wie verbastelt der Roller war und welche Teile alle so gefehlt haben, oder nicht original waren. Falls man vorhat, den Roller noch zu starten oder sogar etwas zum rollen zu bringen, sollte man dies natürlich jetzt tun, falls es der Zustand überhaupt zulässt. Ich habe - was im Nachhinein schon riskant war- gleich mit der Demontage begonnen und mich darauf verlassen, dass Motor und Getriebe in Ordnung sind.
Bild Nr. 2 zeigt die Seitenansicht und lässt erkennen: Es fehlt an einigem, außer an Rost.


Zerlegen ist relativ einfach, doch sollte man vorsichtig, geduldig und mit Sachverstand vorgehen. Ich habe viel "Caramba" benutzt und den Roller vorher so gut wie möglich trockengelegt, die Batterie ausgebaut und ölverschmierte Teile saubergemacht, um nicht völlig zu verdrecken.
Außerdem empfiehlt es sich, alle alten Schrauben und Kleinteile in beschrifteten Kästchen zu verstauen, um das am Ende berühmte Problem zu vermeiden, dass beim Zusammenbau so einiges übrig bleibt. Auch die Kabelanschlüsse und in manchen Fällen die Reihenfolge der Zerlegung sind zu dokumentieren. Fotos lohnen sich immer!


Als ich dann bald so ziemlich alles abgebaut hatte, und der einstige Autoroller eher einer Schubkarre ähnlich sah, war es an der Zeit alle Teile nach vorheriger Säuberung einmal gründlich unter die Lupe zu nehmen um sodann eine Grundsatzentscheidung zu treffen: Baumarktspray oder professionelle Restauration? Diese Frage sollte man sich wirklich gut überlegen, da dadurch doch erheblich andere Wege in Sachen Zeit, Kosten, Mühe und natürlich dem Ergebnis beschritten werden. Da ich das Glück hatten, in meiner Strasse eine frisch eröffnete Oldtimer-Werkstatt zu haben, mit deren Betreiber ich mich schnell anfreundete, stand für mich dann auch bald fest: Ganz oder gar nicht und Kampf dem Pfusch!

Eine der längsten Phasen beim Restaurieren ist die Zeit der Teileaufarbeitung. Die Entscheidung zwischen Neukauf (falls möglich) und liebevoller Handarbeit bis zur Perfektion ist immer wieder auf´s Neue abzuwägen. Ich habe besonders Klein- und Gummiteile bei NSU Motzke nachgekauft was auch schnell in Hunderte von Euros ausartet. Klar muss jedem sein: Was man allein in Geld in den Roller investiert ist letztendlich nicht mehr herausholbar. Deswegen gibt es wahrscheinlich auch so wenige, die ein derartiges Projekt durchziehen. Verkaufen ist also sicher am Ende unwirtschaftlich, aber das sollte ja auch nicht das Ziel sein.
Schön beim Teile Herrichten ist, das mit jedem aufgearbeiteten Glanzstück auch ein Stück Motivation geschaffen wird, um die Sache weiterhin auf hohem Niveau durchzuziehen. Ich verbrachte etliche Stunden mit Sandstrahlen, grundieren, anstreichen und besonders mit dem Geradeklopfen , Schleifen und Aufpolieren von Zierleisten. Der Unterschied ist dann aber wirklich wie Tag und Nacht. Das nebenstehende Bild zeigt eine Mischung aus hergerichteten und nachgekauften Teilen. Bei gelegentlichen Durchhängern empfehle ich schlicht eine längere Pause, denn nichts ist Schimmer als "Hudelei" wie man so schön sagt. Schnell schnell verdirbt nur die Liebe zum Detail…


Bis auf den Tank, den ich zwecks Leck neu kaufte( sogar versiegelt), sind auf diesem Photo alle Teile "alt". Durch Kontakte meiner Werkstatt konnte ich vieles verzinken lassen bzw. verchromen. Dies ist z. B. bei den Ständern, den Sitzgestellen oder dem Gepäckträger aus Rostschutzgründen sehr zu empfehlen, und sieht zudem einfach einwandfrei aus. Ich habe wie man im Bild unten rechts sieht, auch die Bremsbacken mit ausgebaut und neue Belege aufgenietet. Manche ausgenackelten Lager wurden mit neuen Lagerbuchsen versehen, damit ja nichts Spiel hat.

Was am Ende übrig bleibt… Hat man an seinem Roller so ziemlich alles abgebaut präsentiert sich meist ein trauriger Anblick. Ich habe den Rahmen sorgfältig abgeschliffen und zweifach mit Hammerit-Lack gestrichen (Obacht auf´s Typenschild!) um Rost für immer zu verbannen. Den Motor habe ich mit der Zahnbürste (!) so gut wie möglich geputzt und etwas Sprühöl in den Zylinder gespritzt um ein Festsitzen des Kolbens zu vermeiden. Man darf nicht vergessen, so gut wie jetzt kommt man (hoffentlich) nie wieder an den Block.

Eine kleine Ewigkeit später konnte ich meinen Liebling dann wieder auf die Räder stellen, was für die Mobilität wichtig ist. In diesem Zustand sind alle wesentlichen Komponenten der Technik sowie Kabelzüge und Elektrikleitungen im Grunde vorhanden. Diese Zeit dieses Zwischenzustands dauert sehr lange, bis alle übrigen Teile - insbesondere die Bleche- fertig aufgearbeitet oder nachgekauft sind.

Besonders schön finde ich diesen Vorher-Nacher-Vergleich. Die beiden Bilder anbei zeigen die Ansicht auf den Motor und Getriebe sowie den Auspuff. Letzteren habe ich nach dem Sandstrahlen mit hitzebeständigem Lack versorgt. Die Tachowelle ist mit einem neuen Schrumpfschlauch überzogen. Wenn das nicht motivierend ist! Wenn man doch im Kopf hat, wie schlimm alles mal aus sah ist man fast überrascht, wie einwandfrei dann alles nach der "Behandlung" aussieht. Oben in den Bildern die Identität meiner Prima. Ihr Typenschild.


Zwei Unzertrennliche. Ich auf dem Wesentlichen des Rollers. Nach dem Motto: Für was eigentlich Bleche?? Die sind nämlich das allerschlimmste. Das dies klägliche Gefährt mit seinen 150 ccm jedoch den Führerschein Klasse 1 (jetzt A) erfordert, kann man fast nicht glauben.



Blaumänner unter sich. Eine fachlich betreuende Werkstatt ist eigentlich nicht ersetzbar. Fachwissen, Werkzeug, Material und Kontakt zu seriösen Fachbetrieben wie Karosseriebauer oder Verzinker ist ein enormer Vorteil. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich ohne die freundliche und geduldige Unterstützung der Klassiker-Schmiede in Sauerlach wohl nie mein Vorhaben realisiert hätte. Auch wenn so mancher Rat erst gerne übertrieben wirkt, im Nachhinein hat sich dieser Mehraufwand immer bezahlt gemacht und das Ergebnis ist dann eben auch Top statt irgendwie. Auf dem Bild schweißen wir kleine Löcher zu und "dengeln" alles so gerade wie möglich.

Probemontage empfiehlt sich aus zwei Gründen: Erstens zur Überprüfung der Passgenauigkeit der Bleche (Linienführug) und zweitens für einen erheblichen Motivationsschub! Man erinnert sich wieder, an was man arbeitet und hat nach Monaten oder Jahren endlich das Gefühl, das Land in Sicht ist. Und diese Motivation ist auch sehr notwendig, um den letzten sehr entscheidenden Schritt sauber durchzuziehen: Die Lackierung!





Eigentlich heißt Lackierarbeit Schleifarbeit. Eine geschlagene Woche habe ich ausschließlich mit dem Auf- und Abtragen von Spachtelmasse verbracht. Da die Spachtelei durchaus eine Kunst ist, würde ich hier einen Fachmann ans Werk lassen. Ist die Masse nicht total homogen und schnell verarbeitet, können sich später Spannungsrisse bilden und den Lack sprengen. Ich habe also im Grunde nur abgeschliffen, wobei dies bei ganzen 16 Blechteilen (!) auch viel Arbeit ist. Glücklicherweise konnte ich bei einem Lackierer arbeiten, der mich betreute. Ich kann jedem nur wünschen und raten, dass in dieser Lackiervorbereitungsendphase keine Kosten und Mühen gescheut werden, um das bestmöglichste "Babypopo- Ergebnis" zu erreichen. Nur wenn man mit dem Finger am Ende (nach dem Nassschleifen) bei allen Übergangstellen die reine Glätte fühlt, darf man sich zufrieden geben. Denn Hochglanz verzeiht keine Patzer und ohne sauberes Anschleifen besonders an Kanten und in verwinkelten Stellen hält der Lack einfach schlecht.

Bei der Farbwahl war ich erstmal hoffnungslos überfordert. Rot Weiß hatte ich mir vorgenommen, doch unter Hunderten von Rot und Weißtönen die zu finden, die es am Schluss sein sollen und miteinander harmonieren braucht Zeit und gute Laune. So habe ich Stunden über den Farbfächern von BMW und Honda gesessen bis ich dann endlich sicher war. Im Sonnenlicht muss es eben stimmen! Orangerot und Altweiß waren meine Farbtöne was nicht original ist, mir aber an dieser Stelle egal war. Dies ist die Gelegenheit der Charaktergebung die dem Roller eben sein persönliches Flair verleiht. Bis jetzt höre ich nur Begeisterung was die Lackierung angeht. Das Bild zeigt meinen Lackierer bei der Arbeit. Bitte keine Läufer!!

Spätestens hier schlägt wohl jedem Restaurator das Herz höher. Die Dreckphase ist für immer vorbei. Besonders stolz bin ich auf den zweifarbigen Kotflügel vorne. Es ist ratsam, sich kleine Proben der Farbe zum etwaigigen späteren Ausbessern mitgeben zu lassen.
Auch wenn die Lackierung sehr viel Geld kostet, sollte man daran denken, dass damit - Originalton meiner Werkstatt- das Erscheinungsbild des Rollers steht oder fällt, was dann ja auch erheblich den Wert beeinflusst.

Die Montage. Die wahrscheinlich schönste Zeit und Belohnung für alle vorangegangenen Strapazen. Ich habe mich sehr genau an den Werkstattbüchern meine NSU orientiert (z. B. bei der Reihenfolge oder dem Schaltplan) und empfehle jedem hier hochkonzentriert und sehr vorsichtig zu arbeiten. Funktionen und Zusammenspiel aller Teile klarmachen. Jetzt ist man auch um gemachte Fotos verzwickter Stellen froh und über die Beschriftung der Kleinscheiss-Sammlung. Auf Kratzer achten und auf die Verlegung von Seilzügen und Leitungen genau prüfen. Ich habe alle Züge nachgekauft und den Kabelbaum nachgebaut, da dies keine große Arbeit ist und man sich das Rumärgern mit alten hässlichen und zu kurzen Leitungen erspart.
Komplizierte Montagearbeiten habe ich immer mit einer helfenden Hand gemacht, als unnötig Schaden anzurichten. Alle Schrauben habe ich bei mir durch neue ersetzt und sie vorsichtig angezogen. Federung und Bremssysteme habe ich sehr genau überprüft.
Ist die letzte Schraube fest, ist es an der Zeit ein Bier aufzumachen und auf sich selbst anzustoßen. Geschafft!
Batterien hinein, Vergaser einstellen und mit dem ersten Tankgemisch und einem Stoßgebet endlich den Anlasser drücken. Was für ein Geräusch!
Ich denke auch der TÜV wird wie bei mir eine solche Glanzleistung ohne Meckerei freundlich abnehmen. Blinker habe ich zwar keine, aber die brauchte es halt noch nicht in den 50ern. Die Anmeldung ist dann reine Formsache.
Nach etwas Übung auf unbelebten Strassen kann man sich gut mit den Eigenheiten seines Rollers vertraut machen ( und die wird er haben) und in der Werkstatt so manche Einstellung überprüfen.
Abschließend kann ich sagen, dass ich durch dieses dreijährige Rollerprojekt unheimlich viel über das Handwerken an sich gelernt habe, und trotz der Durchhänger und Teilerechnungen am Ende froh bin, die Sache durchgezogen zu haben.
So ein edles Gefährt hat dann eben auch nicht jeder und wer alles selbst gemacht hat, geht zum einen viel sorgsamer mit dem Fahrzeug um und kennt es andererseits eben auch in- und auswendig.
Ich hoffe ich konnte dem oder der ein oder anderen einen kurzweiligen Überblick über das Restaurieren von alten Rollern geben und freue mich über Reaktionen und Anfragen.
Wer dann zum ersten Mal durch die duftenden bayerischen Felder fliegt, und die Sonne im Gesicht spürt weiß wie alle die, die einem lächelnd hinterher sehen: Sie leben eben noch, die guten alten 50er Jahre :-)