Schon beim Kauf sollte man sich ein paar Grundsatzentscheidungen
klar machen: Wie viel Geld will man für welchen Zustand des
Gefährts ausgeben? Bin ich an einer Totalrestauration interessiert,
oder will ich eher Schönheitsoperationen vornehmen, und dabei
die Technik (insb. Motor und Getriebe) lieber zusammengebaut lassen?
Geld- und Zeitplanung ist nicht unbedingt erforderlich, aber als
Orientierung durchaus empfehlenswert. Generell gilt: Umso besser
man sich vorher über den Zustand des Rollers informiert und
den Rat von Fachleuten zur Hilfe nimmt, umso weniger gibt es später
Enttäuschungen. Auch die Verfügbarkeit von Ersatzteilen
und Literatur ist ein wichtiges Kriterium.
Beim Kauf sollte man auf alle (noch vorhandenen) Unterlagen bestehen,
sowie auf einen schriftlichen Kaufvertrag, da diese Papiere später
mal für die Zulassung wichtig sein können. Die Identität
des Rollers ist die Nummer am Typenschild, die natürlich mit
den Eintragungen der Papiere übereinstimmen sollte.
Wenn man dann noch einen trockenen Stellplatz gefunden hat, und
die Freundin diesen "Wahnsinnskauf" überwunden hat,
kann´s eigentlich losgehen. Bild Nr. 1 zeigt meine Prima unmittelbar
nach dem Erwerb. Ein eher traurig stimmender Anblick
Die
erste Tätigkeit gilt wohl der "Schadenbegrenzung",
um zu sehen, was diverse Vorbesitzer und der stetig nagender Zahn
der Zeit noch so übrig gelassen haben, vom einstig soliden
Originalzustand. Nach einer kritischen Untersuchung aller Stellen
und Winkel ergibt sich dann bald ein Bild vom Ausmaß der Tragödie.
Meine Prima des Baujahrs 1957 war nicht mehr viel mehr als ein Haufen
altes Metall. Ich habe besonders in die Literatur alter Werkstattbücher
und Teilelisten gesehen, um herauszufinden, wie verbastelt der Roller
war und welche Teile alle so gefehlt haben, oder nicht original
waren. Falls man vorhat, den Roller noch zu starten oder sogar etwas
zum rollen zu bringen, sollte man dies natürlich jetzt tun,
falls es der Zustand überhaupt zulässt. Ich habe - was
im Nachhinein schon riskant war- gleich mit der Demontage begonnen
und mich darauf verlassen, dass Motor und Getriebe in Ordnung sind.
Bild Nr. 2 zeigt die Seitenansicht und lässt erkennen: Es fehlt
an einigem, außer an Rost.
Zerlegen
ist relativ einfach, doch sollte man vorsichtig, geduldig und mit
Sachverstand vorgehen. Ich habe viel "Caramba" benutzt
und den Roller vorher so gut wie möglich trockengelegt, die
Batterie ausgebaut und ölverschmierte Teile saubergemacht,
um nicht völlig zu verdrecken.
Außerdem empfiehlt es sich, alle alten Schrauben und Kleinteile
in beschrifteten Kästchen zu verstauen, um das am Ende berühmte
Problem zu vermeiden, dass beim Zusammenbau so einiges übrig
bleibt. Auch die Kabelanschlüsse und in manchen Fällen
die Reihenfolge der Zerlegung sind zu dokumentieren. Fotos lohnen
sich immer!
Als ich dann bald so ziemlich alles abgebaut hatte, und der einstige
Autoroller eher einer Schubkarre ähnlich sah, war es an der
Zeit alle Teile nach vorheriger Säuberung einmal gründlich
unter die Lupe zu nehmen um sodann eine Grundsatzentscheidung zu
treffen: Baumarktspray oder professionelle Restauration? Diese Frage
sollte man sich wirklich gut überlegen, da dadurch doch erheblich
andere Wege in Sachen Zeit, Kosten, Mühe und natürlich
dem Ergebnis beschritten werden. Da ich das Glück hatten, in
meiner Strasse eine frisch eröffnete Oldtimer-Werkstatt zu
haben, mit deren Betreiber ich mich schnell anfreundete, stand für
mich dann auch bald fest: Ganz oder gar nicht und Kampf dem Pfusch!
Eine
der längsten Phasen beim Restaurieren ist die Zeit der Teileaufarbeitung.
Die Entscheidung zwischen Neukauf (falls möglich) und liebevoller
Handarbeit bis zur Perfektion ist immer wieder auf´s Neue
abzuwägen. Ich habe besonders Klein- und Gummiteile bei NSU
Motzke nachgekauft was auch schnell in Hunderte von Euros ausartet.
Klar muss jedem sein: Was man allein in Geld in den Roller investiert
ist letztendlich nicht mehr herausholbar. Deswegen gibt es wahrscheinlich
auch so wenige, die ein derartiges Projekt durchziehen. Verkaufen
ist also sicher am Ende unwirtschaftlich, aber das sollte ja auch
nicht das Ziel sein.
Schön beim Teile Herrichten ist, das mit jedem aufgearbeiteten
Glanzstück auch ein Stück Motivation geschaffen wird,
um die Sache weiterhin auf hohem Niveau durchzuziehen. Ich verbrachte
etliche Stunden mit Sandstrahlen, grundieren, anstreichen und besonders
mit dem Geradeklopfen , Schleifen und Aufpolieren von Zierleisten.
Der Unterschied ist dann aber wirklich wie Tag und Nacht. Das nebenstehende
Bild zeigt eine Mischung aus hergerichteten und nachgekauften Teilen.
Bei gelegentlichen Durchhängern empfehle ich schlicht eine
längere Pause, denn nichts ist Schimmer als "Hudelei"
wie man so schön sagt. Schnell schnell verdirbt nur die Liebe
zum Detail
Bis auf den Tank, den ich zwecks Leck neu kaufte( sogar versiegelt),
sind auf diesem Photo alle Teile "alt". Durch Kontakte
meiner Werkstatt konnte ich vieles verzinken lassen bzw. verchromen.
Dies ist z. B. bei den Ständern, den Sitzgestellen oder dem
Gepäckträger aus Rostschutzgründen sehr zu empfehlen,
und sieht zudem einfach einwandfrei aus. Ich habe wie man im Bild
unten rechts sieht, auch die Bremsbacken mit ausgebaut und neue
Belege aufgenietet. Manche ausgenackelten Lager wurden mit neuen
Lagerbuchsen versehen, damit ja nichts Spiel hat.
Was
am Ende übrig bleibt
Hat man an seinem Roller so ziemlich
alles abgebaut präsentiert sich meist ein trauriger Anblick.
Ich habe den Rahmen sorgfältig abgeschliffen und zweifach mit
Hammerit-Lack gestrichen (Obacht auf´s Typenschild!) um Rost
für immer zu verbannen. Den Motor habe ich mit der Zahnbürste
(!) so gut wie möglich geputzt und etwas Sprühöl
in den Zylinder gespritzt um ein Festsitzen des Kolbens zu vermeiden.
Man darf nicht vergessen, so gut wie jetzt kommt man (hoffentlich)
nie wieder an den Block.
Eine
kleine Ewigkeit später konnte ich meinen Liebling dann wieder
auf die Räder stellen, was für die Mobilität wichtig
ist. In diesem Zustand sind alle wesentlichen Komponenten der Technik
sowie Kabelzüge und Elektrikleitungen im Grunde vorhanden.
Diese Zeit dieses Zwischenzustands dauert sehr lange, bis alle übrigen
Teile - insbesondere die Bleche- fertig aufgearbeitet oder nachgekauft
sind.
Besonders
schön finde ich diesen Vorher-Nacher-Vergleich. Die beiden
Bilder anbei zeigen die Ansicht auf den Motor und Getriebe sowie
den Auspuff. Letzteren habe ich nach dem Sandstrahlen mit hitzebeständigem
Lack versorgt. Die Tachowelle ist mit einem neuen Schrumpfschlauch
überzogen. Wenn
das nicht motivierend ist! Wenn man doch im Kopf hat, wie schlimm
alles mal aus sah ist man fast überrascht, wie einwandfrei
dann alles nach der "Behandlung" aussieht. Oben in den
Bildern die Identität meiner Prima. Ihr Typenschild.
Zwei
Unzertrennliche. Ich auf dem Wesentlichen des Rollers. Nach dem
Motto: Für was eigentlich Bleche?? Die sind nämlich das
allerschlimmste. Das dies klägliche Gefährt mit seinen
150 ccm jedoch den Führerschein Klasse 1 (jetzt A) erfordert,
kann man fast nicht glauben.
Blaumänner
unter sich. Eine fachlich betreuende Werkstatt ist eigentlich nicht
ersetzbar. Fachwissen, Werkzeug, Material und Kontakt zu seriösen
Fachbetrieben wie Karosseriebauer oder Verzinker ist ein enormer
Vorteil. Ich muss ehrlich zugeben, dass ich ohne die freundliche
und geduldige Unterstützung der Klassiker-Schmiede in Sauerlach
wohl nie mein Vorhaben realisiert hätte. Auch wenn so mancher
Rat erst gerne übertrieben wirkt, im Nachhinein hat sich dieser
Mehraufwand immer bezahlt gemacht und das Ergebnis ist dann eben
auch Top statt irgendwie. Auf dem Bild schweißen wir kleine
Löcher zu und "dengeln" alles so gerade wie möglich.
Probemontage
empfiehlt sich aus zwei Gründen: Erstens zur Überprüfung
der Passgenauigkeit der Bleche (Linienführug) und zweitens
für einen erheblichen Motivationsschub! Man erinnert sich wieder,
an was man arbeitet und hat nach Monaten oder Jahren endlich das
Gefühl, das Land in Sicht ist. Und diese Motivation ist auch
sehr notwendig, um den letzten sehr entscheidenden Schritt sauber
durchzuziehen: Die Lackierung!
Eigentlich heißt Lackierarbeit Schleifarbeit. Eine geschlagene
Woche habe ich ausschließlich mit dem Auf- und Abtragen von
Spachtelmasse verbracht. Da die Spachtelei durchaus eine Kunst ist,
würde ich hier einen Fachmann ans Werk lassen. Ist die Masse
nicht total homogen und schnell verarbeitet, können sich später
Spannungsrisse bilden und den Lack sprengen. Ich habe also im Grunde
nur abgeschliffen, wobei dies bei ganzen 16 Blechteilen (!) auch
viel Arbeit ist. Glücklicherweise konnte ich bei einem Lackierer
arbeiten, der mich betreute. Ich kann jedem nur wünschen und
raten, dass in dieser Lackiervorbereitungsendphase keine Kosten
und Mühen gescheut werden, um das bestmöglichste "Babypopo-
Ergebnis" zu erreichen. Nur wenn man mit dem Finger am Ende
(nach dem Nassschleifen) bei allen Übergangstellen die reine
Glätte fühlt, darf man sich zufrieden geben. Denn Hochglanz
verzeiht keine Patzer und ohne sauberes Anschleifen besonders an
Kanten und in verwinkelten Stellen hält der Lack einfach schlecht.
Bei
der Farbwahl war ich erstmal hoffnungslos überfordert. Rot
Weiß hatte ich mir vorgenommen, doch unter Hunderten von Rot
und Weißtönen die zu finden, die es am Schluss sein sollen
und miteinander harmonieren braucht Zeit und gute Laune. So habe
ich Stunden über den Farbfächern von BMW und Honda gesessen
bis ich dann endlich sicher war. Im Sonnenlicht muss es eben stimmen!
Orangerot und Altweiß waren meine Farbtöne was nicht
original ist, mir aber an dieser Stelle egal war. Dies ist die Gelegenheit
der Charaktergebung die dem Roller eben sein persönliches Flair
verleiht. Bis jetzt höre ich nur Begeisterung was die Lackierung
angeht. Das Bild zeigt meinen Lackierer bei der Arbeit. Bitte keine
Läufer!!
Spätestens
hier schlägt wohl jedem Restaurator das Herz höher. Die
Dreckphase ist für immer vorbei. Besonders stolz bin ich auf
den zweifarbigen Kotflügel vorne. Es ist ratsam, sich kleine
Proben der Farbe zum etwaigigen späteren Ausbessern mitgeben
zu lassen.
Auch wenn die Lackierung sehr viel Geld kostet, sollte man daran
denken, dass damit - Originalton meiner Werkstatt- das Erscheinungsbild
des Rollers steht oder fällt, was dann ja auch erheblich den
Wert beeinflusst.
Die
Montage. Die wahrscheinlich schönste Zeit und Belohnung für
alle vorangegangenen Strapazen. Ich habe mich sehr genau an den
Werkstattbüchern meine NSU orientiert (z. B. bei der Reihenfolge
oder dem Schaltplan) und empfehle jedem hier hochkonzentriert und
sehr vorsichtig zu arbeiten. Funktionen und Zusammenspiel aller
Teile klarmachen. Jetzt ist man auch um gemachte Fotos verzwickter
Stellen froh und über die Beschriftung der Kleinscheiss-Sammlung.
Auf Kratzer achten und auf die Verlegung von Seilzügen und
Leitungen genau prüfen. Ich habe alle Züge nachgekauft
und den Kabelbaum nachgebaut, da dies keine große Arbeit ist
und man sich das Rumärgern mit alten hässlichen und zu
kurzen Leitungen erspart.
Komplizierte Montagearbeiten habe ich immer mit einer helfenden
Hand gemacht, als unnötig Schaden anzurichten. Alle Schrauben
habe ich bei mir durch neue ersetzt und sie vorsichtig angezogen.
Federung und Bremssysteme habe ich sehr genau überprüft.
Ist die letzte Schraube fest, ist es an der Zeit ein Bier aufzumachen
und auf sich selbst anzustoßen. Geschafft!
Batterien hinein, Vergaser einstellen und mit dem ersten Tankgemisch
und einem Stoßgebet endlich den Anlasser drücken. Was
für ein Geräusch!
Ich denke auch der TÜV wird wie bei mir eine solche Glanzleistung
ohne Meckerei freundlich abnehmen. Blinker habe ich zwar keine,
aber die brauchte es halt noch nicht in den 50ern. Die Anmeldung
ist dann reine Formsache.
Nach etwas Übung auf unbelebten Strassen kann man sich gut
mit den Eigenheiten seines Rollers vertraut machen ( und die wird
er haben) und in der Werkstatt so manche Einstellung überprüfen.
Abschließend kann ich sagen, dass ich durch dieses dreijährige
Rollerprojekt unheimlich viel über das Handwerken an sich gelernt
habe, und trotz der Durchhänger und Teilerechnungen am Ende
froh bin, die Sache durchgezogen zu haben.
So ein edles Gefährt hat dann eben auch nicht jeder und wer
alles selbst gemacht hat, geht zum einen viel sorgsamer mit dem
Fahrzeug um und kennt es andererseits eben auch in- und auswendig.
Ich hoffe ich konnte dem oder der ein oder anderen einen kurzweiligen
Überblick über das Restaurieren von alten Rollern geben
und freue mich über Reaktionen und Anfragen.
Wer dann zum ersten Mal durch die duftenden bayerischen Felder fliegt,
und die Sonne im Gesicht spürt weiß wie alle die, die
einem lächelnd hinterher sehen: Sie leben eben noch, die guten
alten 50er Jahre :-)
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